Montag, 28. Oktober 2013

pro iure animalis - "Lasset uns totbeten!"

pro iure animalis - "Lasset uns totbeten!"

"Lasset uns totbeten!" Drucken E-Mail

Heike Heinze, Berlin



Im tristen, farblosen Monat November ist es soweit: Hubertusmessen und -jagden finden statt. Jäger holen sich den Schutz eines Pfarrers. Dieser bemüht den Heiligen Hubertus, schiebt diesem Schutzpatron der Jäger feige die Verantwortung zu, bemüht, dem Fegefeuer zu entkommen und seine Hände in Unschuld zu waschen. Nach den Gebeten heißt es schließlich: "Feuer frei aus allen Rohren!" Wie kann etwas so fromm beginnen und sich zu einem Drama zuspitzen, dessen Ende, die Hinrichtung der Wildtiere, Gottes Schöpfung, einen naturliebenden Menschen bis ins Mark erschüttern? Ist es nicht ein Widerspruch, einerseits Liebe zu predigen, auf der anderen Seite Waffen und deren Träger zu segnen? Aber so und nicht anders hat die Kirche die Geschichte überlebt. Wie beim Jüngsten Gericht über die Gräueltaten an unseren Tieren entschieden wird, wissen wir nicht, denn kein Pfarrer oder Jäger, die sich an blutrünstigen Spektakeln beteiligten und das Zeitliche segneten, sind je zurückgekehrt. Vermutlich hatte Gott als Schöpfer der Welt und der Natur kein Auge zugedrückt und seine vermeintlichen Vertreter und deren Nutznießer angesichts der Vernichtung seiner Kreaturen - in jedem Jahr sage und schreibe 5 500 000 Wildtiere -  mit einem Tritt in die Hölle befördert. Wird doch sein Ansehen in der Öffentlichkeit voranschreitend ruiniert.

Die Jägerlobby ist eine der politisch und wirtschaftlich mächtigsten Minderheiten in Deutschland, deren skandalöse Gesetzesprivilegien teilweise aus dem Mittelalter stammen und für einen modernen Rechtsstaat untragbar sind. Aber Staat und Kirche arbeiten Hand in Hand. Einem Siamesischen Zwilling gleichend sind sie unter Führung einer christlich - liberalen Regierung untrennbar miteinander verbunden. Kameraderie, Opportunismus und Traditionsbewusstsein der Einflussreichsten lassen keine Veränderung zu.

Wie die Lichtgestalt des Kreuzes Hubertus einst den Weg gezeigt habe, solle man diesen rechten Weg unter und mit dem Kreuz Jesu auch heute gehen. Aber kann es rechtens sein, Baujagden zu veranstalten, bei denen Fuchswelpen ausgegraben, erschlagen, vom Bauhund abgewürgt oder anderweitig getötet werden? Ist der rechte Weg, bei Treib - und Drückjagden reihenweise auf Wild zu schießen, das mit zerfetzten Gliedmaßen in seiner Todesangst zu fliehen versucht? Aber ich vergaß, in der katholischen Kirche haben ja Tiere keinen Platz und schon gar keine Seele. Eine Fuchsfähe dürfte somit emotionslos zusehen, wenn ihr Nachwuchs von einer nach Gottes Ebenbild geschaffenen Spezies gemeuchelt wird, der laut Kirche eine Seele zusteht.

Was für ein Hochmut einer solchen Kirche! Emotionen wie Angst und Panik sowie das Empfinden von Schmerzen sind bei Mensch und Tier identisch. Das komplizierte Paarungsverhalten der Tiere, das Zusammenleben in Gruppen und Familien, die Fähigkeit vorzusorgen und die Verständigungsmöglichkeiten untereinander ähneln den unseren. Die Unterschiede zwischen uns und ihnen sind keineswegs prinzipieller Natur. In vielem sind Tiere dem Menschen sogar weit überlegen. Der Seh-, Hör- und Tastsinn ist bei den meisten Säugetieren höher entwickelt als bei uns. Ich bewundere das geniale tierische Navigationssystem und die Feinheiten der Brutpflege.

Während im späten Mittelalter viele Handwerkszünfte am Namenstag des Heiligen Hubertus zu dessen Ehren Messen abhielten, ist dieser Brauch allmählich gänzlich verschwunden. Nur Jäger sind dieser Tradition treu geblieben. Ein Missverständnis? Denn es war ein Hirsch, zwischen dessen Geweihstangen das Kreuz Christ erschien und sich dem Heiligen Hubertus, der bis zum legendären Zeitpunkt ein Jäger war, zuwandte, ihn eindringlich zur Rückkehr bat und dieser die Waffen für immer niederlegte. Offensichtlich lesen Jäger die überlieferte Geschichte, eine Sage, nicht zu Ende, huldigen sie doch alljährlich den ersten berühmten Jagdgegner. Zu groß ist ihr Bedürfnis, in Wald und Flur zu richten, zu entscheiden, was willkommen ist, leben darf oder nicht. Das Ammenmärchen auf die Fahne schreibend, ein Gleichgewicht in der Natur schaffen und halten zu wollen, ziehen sie legal bewaffnet in den Kampf. Führen einen einseitigen Krieg gegen Wehrlose, die keine Stimme haben. Tatsächlich allerdings hat es dieses besagte Gleichgewicht niemals gegeben und wird es auch nicht. Kein Tier, sondern ausschließlich der Mensch zerstört im großen Stil den Lebensraum, in dem die Schöpfung noch existiert - er beseitigt die Regenwälder, die Lunge der Erde. Er verpestet die Luft, vergiftet die Flüsse, beraubt die Meere. Und er tötet aus purer Lust.

In einer Fürbitte beim Hubertus - Gottesdienst heißt es: "Wir bitten für Jägerinnen und Jäger...Lass sie in allem, was sie tun, das Tier als lebendiges Geschöpf erkennen." Widersprüchlicher kann es wohl nicht sein. Es grenzt an Sarkasmus, "Lasset uns totbeten!" wäre treffender. Man säuselt, dass die Jagd einen positiven Beitrag zum Schutz und zur Bewahrung der Schöpfung leiste. Dieser Aspekt würde bei der Gestaltung der Hubertusmessen im Vordergrund stehen. Angesichts dieser Scheinheiligkeit möchte man sich übergeben, wird doch bei diesen Messen und beim Beweihräuchern dieses Brauchtums aus Sympathie mit der lodengrünen Zunft nur ein nichtmenschliches Geschöpf überhaupt geduldet: der Jagdhund.

Jagd, die stets mit den Qualen und Leid der Tiere verbunden ist, kann weder Schutz noch Bewahrung der Schöpfung und nie Naturschutz sein. Niemals. Der Mensch, nur ein Teil der Natur, ist Leben inmitten von Leben, das auch leben will. Der Schutz der Natur ist Verständnis für all ihre Vielfalt, Respekt vor der Einzigartigkeit ihrer Werke, ihrer grandiosen Kunst. Bei der Jagd erkenne ich nichts Dergleichen, sondern ausschließlich Befriedigung einer abnormen Neigung und kaltblütigen Mord.

Dass man so in den Himmel kommt, wage ich zu bezweifeln.

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